Zurück zur rosaroten Brille. Wenn euer finnischer Lapphund-Welpe erstmal eingezogen ist, wird der erste Tag vermutlich noch recht harmonisch und ruhig ablaufen. Hier und da ein bisschen Wimmern, je nachdem, wie sehr er seine Mama und seine Geschwister vermisst. Genießt es! Denn kaum ist euer Welpe bei euch angekommen, fängt er plötzlich an, komplett durchzudrehen. Darauf sind die wenigsten vorbereitet.
Wir haben die Welt nicht mehr verstanden. Plötzlich wird wild um sich gebissen, der Schwanz gejagt, und der süße Welpe wird zu einem kleinen Monster. Ruhig essen? Kannste knicken! Entspannt auf dem Sofa sitzen? Kannste knicken! Den Hund mit Spielzeug oder anderen Ablenkungen beschäftigen? Kannste knicken!
Das einzige, was uns wirklich geholfen hat, war eine erzwungene Ruhepause. Wir nannten es liebevoll „Air Jail“ oder „Zwangskuscheln“. Dabei haben wir den Hund so gepackt, dass er fest an uns fixiert war und nicht mehr wild um sich schnappen konnte – es sah ein bisschen aus wie ein Schwitzkasten. Und wer jetzt aufschreit und denkt, „Oh mein Gott, das ist doch Tierquälerei“, die Alternativen wären gewesen, ihn in einen anderen Raum oder in eine Box zu sperren, bis er sich beruhigt hat, oder hinter eine Tür zu setzen, damit er sich nicht mehr bewegen kann. Da haben wir uns doch spontan für unser Zwangskuscheln entschieden.
Aber glaubt mir, diese Situation hat uns komplett aus dem Nichts getroffen. Nach zwei oder drei Tagen saß ich abends nach der Puppy Witching Hour heulend am Tisch, weil ich einfach überfordert war mit der Gesamtsituation.
Es musste also ein neuer Plan bzw. eine neue Routine her. Online haben wir bei verschiedenen Ratgebern ein bisschen was gefunden, aber am meisten haben uns die ehrlichen Erfahrungen anderer Welpenbesitzer geholfen, wie zum Beispiel bei Reddit im Puppy101-Forum.
Dadurch konnten wir schnell feststellen, wann Monty seine Puppy Witching Hour hat und vor allem, wann die schlimmste kommt.

Die erste kam jeden Morgen. Er hat was gegessen, eine Runde gespielt, wir waren nochmal eine kleine Runde mit ihm draußen und im Anschluss hat er im Garten dann die Zoomies bekommen. Wie blöd ist er durch den Garten gerannt und man konnte ihn nicht mehr abrufen, geschweige denn einfangen. Dafür war er viel zu flink und klein. Meine Kiwi-Beere, die ich gehegt und gepflegt habe, wurde leider auch Opfer einer dieser Zoomies. 🙁
Anfangs mussten wir nach einer Gassi-Runde nochmal in den Garten, damit er sich entsprechend lösen kann. Also haben wir kurzerhand einen Staketenzaun gekauft und einen Bereich für ihn im Garten abgegrenzt. Das kann ich auf jeden Fall empfehlen, je nachdem wie groß euer Garten ist. Oder zumindest für die Beete, den Pflanzen und euren Nerven zuliebe. 😀 Damit hatte er im Garten schon weniger Eindrücke, die er verarbeiten musste, was dazu führte, dass er dort deutlich ruhiger wurde.
Wir haben ihn dann aber auch tatsächlich nur noch kurz lösen lassen und seine Energie genutzt, um wenigstens ein paar Kommandos zu üben. Da reichen anfangs wirklich 5 Minuten, weil er dann schon wieder gar ist und keine Konzentration mehr hat. Klassischerweise haben wir mit Sitz und Platz und einem High Five angefangen, aber auch schon mit Dingen wie das Leckerli zu ignorieren.
Die schlimmste Puppy Witching Hour war aber mit Abstand die ab 18 Uhr abends. Im Deutschen nennt man sie auch „Die Welpen-5-Minuten“, nur leider waren es bei uns definitiv keine 5 Minuten, sondern eher 1 bis 2 Stunden, in denen der Hund komplett durchgedreht ist. Da half wirklich nur das Zwangskuscheln.
Wir haben also jeden Tag reflektiert, was wir gemacht haben, was eventuell zu viel für den kleinen Welpenkopf gewesen ist, und haben Stück für Stück seine Routine umgestellt.
Was uns dann am Ende tatsächlich richtig gut geholfen hat, war der Tipp unserer Hundetrainerin: „Macht einfach mal gar nichts mit ihm!“
Der Trugschluss ist ja folgender: Wir sind der Meinung, der Hund müsse müde gemacht werden, also spielen wir, gehen Gassi und zeigen ihm die Welt. Tatsächlich ist aber genau das eine Gratwanderung zwischen genau passend und zu viel, und in 95 % der Fälle war es dann doch zu viel.
Wir haben also für uns entschieden, dass es erstmal keine Spaziergänge mehr gibt und auch keine Ausflüge, um ihm die Welt zu zeigen. Und siehe da, plötzlich war dieser Hund wie ausgewechselt und kam generell so viel besser zur Ruhe als vorher. Danach haben wir Schritt für Schritt wieder mehr in unseren Alltag eingebaut. Wir haben zum Beispiel die Spaziergänge nicht mehr direkt morgens gemacht, wenn die Schule oder die Kita losgeht und viele Kinder mit Fahrrädern, Rollern oder Ähnlichem unterwegs sind, sondern erst später am Vormittag, wenn die Rush Hour vorbei ist. Euer Welpe hat dadurch weniger Eindrücke, ergo weniger, was er abends verarbeiten muss. Die Trainingssequenzen haben wir nochmal deutlich verkürzt und einfach immer mal wieder im Tagesablauf eingebaut. Dadurch konnte er sich dabei auch viel besser konzentrieren, und wenn er es ein paar Mal gut gemacht hat, haben wir die Einheit beendet, damit er nicht zu schnell frustriert wird.
Wenn die Puppy Witching Hour dann doch zuschlägt, und das tut sie noch häufig genug bei eurem kleinen finnischen Lapphund, haben wir immer eine Schleckmatte parat gehabt. Einfach etwas Joghurt, Quark oder Skyr auf einer Schleckmatte verteilt (oder Leberwurstpaste) und wir haben meist noch etwas Obst dazugegeben. Banane und Heidelbeeren stehen bei uns nämlich hoch im Kurs. Diese kurz anfrieren lassen und hinstellen. Und schon habt ihr Ruhe und euer Hund ist glücklich und kann den aufgebauten Stress durch das Schlecken und Schnüffeln abbauen.

Bei den Schleckmatten haben wir verschiedene Exemplare, damit immer schnell eine parat ist. Auf dem Bild seht ihr eine Kleinere, dafür sehr robuste und bequem für den Tiefkühler geeignet. Zusätzlich haben wir noch zwei Stück mit Saugnäpfen, die kann man auch schon an Scheiben oder Oberflächen machen, aber Achtung, nicht das euch die Masse runterläuft. 🙂
Ihr könnt natürlich variieren, sei es eine Schleckmatte, ein Kauknochen. Schnüffelteppich oder auch ganz einfache Klopapier- und Küchenpapierrollen, in denen ihr Leckerlis versteckt. Euer Welpe hat zu tun, diese kaputt zu machen, und ist danach glücklich und zufrieden am Schlafen.
Es gibt hierbei übrigens keine feste Zeitvorgabe, ihr bestimmt selbst, wie lange euer Welpe damit beschäftigt sein soll. Für Monty war es gut, wenn er etwa ca. 30 Minuten beschäftigt war. In der Zeit könnt ihr eure Fellbündel übrigens auch ausgiebig kämmen und entknoten, dann verknüpft euer Welpe direkt positive Dinge damit.
Und, keine Sorge, die Welpen werden, leider, älter und mit jeder Woche angenehmer. Bei uns war es plötzlich von einem auf den anderen Tag vorbei. Wir sind morgens mit ihm aufgestanden und haben festgestellt, „Moment mal, der ist anders.“ Aber im positiven Sinne! 😀
Herzliche Grüße, Cori
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